Jens Meier ist Geschäftsführer des Soziokulturellen Zentrums Lagerhalle e.V. in Osnabrück und seit Herbst 2021 Mitglied im Beirat der Felicitas und Werner Egerland-Stiftung. Wer ist das neue Beiratsmitglied?
Du bist Geschäftsführer des Soziokulturellen Zentrums Lagerhalle e.V. und damit mittendrin im kulturellen Geschehen in Osnabrück. Wie sah dein Weg dorthin aus? Welche Bereiche liegen dir besonders am Herzen?
Ich bin der klassische Quereinsteiger. Die Lagerhalle habe ich 1993 kennen gelernt, als ich zum Studium nach Osnabrück gezogen bin und einen Job gesucht habe. Der damalige Thekenchef Karl-Heinz hat mir als Gastro-Neuling trotz einiger Skepsis die Chance gegeben. Dem habe ich viele Jahre Gastroerfahrung zu verdanken. Mein Schwerpunkt im Geographiestudium war die Entwicklungszusammenarbeit. Nach dem Diplom konnte ich zunächst im Aktionszentrum Dritte Welt erste Berufserfahrung in der Bildungsarbeit sammeln und habe mich dann auf eine freie Stelle in der Lagerhalle beworben. Im Mai 2001 habe ich mit dem Schwerpunkt der Projekt- und Zielgruppenarbeit dort angefangen und bin geblieben. Im Herbst 2019 bin ich schließlich zum Geschäftsführer geworden.
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit waren die Kinderkultangebote. Ich habe über die Jahre viele tolle freie Theater, Schauspieler:innen und Musiker:innen kennen gelernt, die mit unglaublich viel Leidenschaft, Kreativität und Können unserem jüngsten Publikum ihre ersten und unvergesslichen Theater- und Konzerterlebnisse beschert haben. Zusammen mit Andreas Weber konnten wir in der Lagerhalle sehr erfolgreich Poetry- und Singer-Songwriter-Slams etablieren. Es ist wunderbar zu sehen, wie sich jüngere und ältere Newcomer auf die Bühne trauen, wie sie sich entwickeln und das immer mehr aus der Szene selbstständige Künstler:innen werden. Zuletzt muss ich natürlich noch das Morgenland Festival nennen. Ich durfte den fantastischen Michael Dreyer über all die Jahre bei der Organisation des Festivals unterstützen und freue mich, wenn die Lagerhalle wieder Zentrum dieses außergewöhnlichen Ereignisses wird.
Der Auftrag der Felicitas und Werner Egerland-Stiftung ist „Europäische Jugendförderung in Kunst, Kultur und Wissenschaft“. Was verbindest du mit diesen Begriffen? Hast du zu einem dieser Bereiche eine besonders enge Verbindung?
Auftrag und Wirken der Egerland-Stiftung überzeugen mich vollkommen. Deshalb arbeite ich sehr gerne mit. Sich in und für Europa zu engagieren ist unglaublich wichtig. Wer hätte gedacht, dass dieses große Friedensprojekt der Europäischen Union wieder so in Frage gestellt werden würde und so bedroht sein könnte. Die jungen Leute in Europa zusammen zu bringen ist wichtig. Wir müssen uns kennen lernen, uns austauschen und verstehen. Wir geht das besser, als über Kunst, Musik, Theater oder Literatur?
Neben Europa möchte ich die Zielgruppe der jungen Menschen bis 27 Jahre herausstellen. „Die Jugend ist unsere Zukunft“, ist schnell gesagt, aber auch in einem so reichen Land wie Deutschland gibt es noch unendlich viel mehr Möglichkeiten der Förderung. Es gibt dabei so viele Facetten! Talente werden entdeckt und gefördert, Selbstbewusstsein entwickelt und gestärkt, einmalige Erlebnisse prägen fürs Leben und Sinn wird gestiftet. Die Stiftung fördert die guten Ideen und legt einen besonderen Fokus auf die Nachhaltigkeit, auf die Verbreitung. Das finde ich besonders wichtig.
Als Ratsherr in der Fraktion der GRÜNEN ist Nachhaltigkeit sicher ein wichtiges Thema für dich. Wo siehst du zentrale Anknüpfungspunkte von Kultur und Nachhaltigkeit? Welche Aufgaben kommen auf die Kultur zu? Welche Aspekte von Nachhaltigkeit sind für den Kulturbereich besonders wichtig?
Der Kulturbereich steht wie alle anderen vor der großen Herausforderung, seinen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels zu leisten. Das betrifft die Häuser, die Technik und die Beschaffung, aber auch An- und Abreise und Bewirtung. Die Lagerhalle bietet z.B. zusammen mit den Stadtwerken ein Kombiticket an. Mit der Eintrittskarte kann der Bus kostenfrei genutzt werden.
Nachhaltigkeit hat auch den ökonomischen Aspekt und hier ist leider zu befürchten, dass auf Grund der hohen Kosten zur Bewältigung der Corona Pandemie es wieder zu Einspardiskussionen kommen wird. Wir müssen endlich ein Verständnis entwickeln, dass jede:r in der Kultur das Überlebensmittel sieht, das es tatsächlich ist.
Ich glaube, dass Kunst und Kultur entscheidend dazu beitragen müssen, dass diese Gesellschaft nicht auseinander fliegt. Welche bedrohlichen Fliehkräfte sich entwickeln können, erleben wir aktuell in der Corona-Pandemie. Fragen stellen, den Spiegel vorhalten und Diskurs organisieren, dass können KünstlerInnen und Künstler und Kulturinstitutionen. (Partei-)Politik ist damit leider häufig überfordert.
Die Kulturinstitutionen müssen sich der gesamten Gesellschaft öffnen. Das ist keine neue Erkenntnis und leider nicht so einfach umzusetzen. Das Theater hat unter dem neuen Intendanten, unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie, neue Wege ausprobiert. Die Osnabrücker Kulturszene ist außergewöhnlich gut vernetzt. Ich bin sicher, dass viel neues ausprobiert und voneinander gelernt wird. Vielleicht ja besonders viel in 2023, dem Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens.
In Zeiten in denen Fakten beliebig zu werden scheinen und Wissenschaft angegriffen wird, ist es mir auch wichtig, diesen Aspekt der Förderung der Stiftung zu beleuchten. Die Aktivist:innen von Fridays for Future mahnen uns mit dem Ausspruch „listen to the science“ zum Handeln. Hier junge Menschen zu begeistern und zu stärken, ist eine wichtige Aufgabe. Es gibt viel zu tun!
Welche Erfahrungen aus deiner beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit siehst du als besonders hilfreich für deine neue Tätigkeit im Beirat der Felicitas und Werner Egerland-Stiftung?
Ich habe für die Lagerhalle viele Anträge gestellt und kenne diese Perspektive aus der Praxis. Hier ist die Stiftung sehr vorbildlich und bietet Antragsteller:innen eine ausführliche Beratung, bevor der Antrag final eingereicht wird. Auch in der Projektdurchführung gibt es immer wieder Rückkopplungen und ich erlebe, dass Vorstand und Beirat sich sehr für die Projekte interessieren.
Nach nun über 20 Jahren hauptberuflicher Arbeit in der Kulturlandschaft Osnabrücks und fast genauso langer kommunalpolitischer Tätigkeit, kenne ich viele Menschen, Vereine, Institutionen und Initiativen. Das kann bei der Bewertung von Anträgen hilfreich sein. Da ich die Kinder- und Familienangebote der Lagerhalle organisiert habe, traue ich mir auch hier an vielen Stellen eine begründete Meinung zu.
Die Stiftung sieht sich völlig zu Recht nicht als Lückenbüßer für nicht vorhandene staatliche oder kommunale Förderung. Es werden die guten Beispiele gefördert und es wird aufgezeigt, wo und wie und was möglich ist. Die Erfahrung aus dem Stadtrat und die Kenntnis von politischen Prozessen in der Praxis, ermöglichen mir hier und da eine Einschätzung zur Verstetigung von Projekten.