Morgenland Campus
Von Ralf Döring. Jan Monazahiam spielt ein kraftvolles Solo, jazzig und orientalisch eingefärbt. Seit einem Jahr studiert der Flötist bei Anna-Lena Schnabel Jazz am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück (IfM); jetzt, beim Abschlusskonzert des Morgenland Campus im Soziokulturzentrum Lagerhalle, zeigt er, wie lehrreich dieser Meisterkurs in Sachen arabische Musik gewesen ist. Fünf Tage lang haben sich die Studierenden mit der Klangsprache des Orients beschäftigt. In einem Raum im Keller des IfM haben vier Jungs mächtig Spaß mit dem Darbouka-Virtuosen Rony Barrak. Aus einer Abfolge unterschiedlicher Percussion-Muster machen sie ein Stück über Kommunikation, über Interaktion, über „confidence and trust“, wie Barrak sagt, beides Wörter, die sich mit „Vertrauen“ übersetzen lassen. Drei Stockwerke höher spricht der Geiger MAias Alyamani über die Kunst des Maqam, über Mikrointervalle, die unsere westliche Musik verlernt hat, und über Ornamentik, die aus Tonfolgen lebendige Musik macht. Im Gartenhaus schließlich improvisieren Sängerinnen über einfache Akkorde, die Dima Orsho am Klavier spielt. „Ich wollte immer hin zu Dur“, sagt Orsho, „aber ihr wart so kraftvoll im Moll verhaftet – toll.“ Dann lobt sie noch ein, zwei Sängerinnen besonders für ihren Gesang – und rührt eine davon prompt zu Tränen.
Für eine Woche hat sich das Morgenland Festival im November im IfM eingefunden, um den Morgenland Campus abzuhalten. Dieses Kursformat ist nicht neu. „Wir bauen auf Erfahrungen auf, die sich bewährt haben“, sagt Sascha Wienhausen, der Dekan des IfM. 2016 fand der erste Campus statt, die aktuelle Ausgabe ist die üppigste bisher. Das IfM stellt dafür Räumlichkeiten und Infrastruktur, das Morgenland Festival hat die Dozenten verpflichtet: Musikerinnen und Musiker, die beim Festival für Furore sorgen und zu den besten zählen, die die Orient-Musikszene zu bieten hat. Doch das allein hätte nicht gereicht, den Kurs zu finanzieren: Mit 60.000 Euro unterstützt die Felicitas und Werner Egerland Stiftung den Campus, eine Stiftung mit Sitz in Osnabrück, die junge Menschen aus Europa in den Bereichen Kunst, Kultur und Wissenschaften fördert.
Davon profitieren nun 30 Studierende, die Hälfte IfM-Eigengewächse, die andere Hälfte aus dem Rest der Welt: Eine Kamanche-Spielerin stammt aus dem Iran, eine Sängerin aus Stockholm. Der lettische Posaunist Vadim Dmitrijev, ein schmaler junger Mann mit coolem schwarzen Look, absolviert gerade ein Erasmus-Jahr an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Er ist hier, um die arabische Musiksprache zu lernen, denn „diese Musik wird auf der halben Welt gespielt und gesungen“, sagt er.
Dabei werden Dozenten selbst zu Schülern: Michel Godard, der Tuba- und Serpentvirtuose, Trompeter Frederik Köster oder der syrisch-amerikanische Klarinettist Kinan Azmeh lernen ebenfalls neue Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks kennen. Von einer „Win-win-win-Situation“ spricht deshalb Michael Dreyer, der Leiter des Morgenland Festivals. Das bestätigt Jan Monazahiam: „Die Dozenten können alle so unglaublich gut unterrichten“, sagt er. Denn „sie sind selbst so begeistert“. Und wissbegierig: „Durch das Unterrichten müssen wir uns selbst bewusst machen, was wir tun und warum wir es tun“, sagt Kinan Azmeh. Und so profitieren Studierende wie Lehrende und, nicht zu vergessen, das Publikum des Abschlusskonzerts.
© Luidmila Jeremies